Editorial „Soziale Fortschrëtt“: Kriegszustand, Krisenzustand

Der 24. Februar 2022 wird für immer in die Geschichte eingehen. An diesem Tag marschierte Russland in die Ukraine ein und hinterließ auf seinem Weg Terror, Zerstörung und Tod. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Europäer mit den Schrecken eines militärischen Konflikts auf dem Kontinent konfrontiert.

Die Europäische Union hat zu Recht scharfe Sanktionen gegen Russland verhängt, dessen Präsident sich innerhalb weniger Tage von einem politischen Verbündeten in einem geächteten Außenseiter verwandelt hat. Diese Sanktionen haben auch Auswirkungen auf die europäischen Länder, die von Russland abhängig sind, sei es von Gas, Öl oder anderen Handelsgütern.

So haben sich die Effekte des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Pandemie, d.h. die Verteuerung von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Ölprodukten, drastisch verstärkt.

Infolge der massiven Preisexplosion für Erdölprodukte berief der Premierminister eine Sitzung der nationalen Tripartite ein. Auf den Sitzungen am 22. und 23. März 2022 konnten die Sozialpartner eine Reihe von Lösungsansätzen finden, um die gravierendsten Auswirkungen der aktuellen Krise zu bewältigen.

Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Punkte:

  • die vollständige Beibehaltung der für den 1. April 2022 vorgesehenen Indextranche;
  • Verlegung der voraussichtlichen Indextranche von August 2022 auf April 2023, im Gegenzug wird eine Steuergutschrift eingeführt, die den Kaufkraftverlust von Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen überkompensieren wird;
  • Entlastung von Mietern durch Einfrieren der Mieten bis Ende 2022 und Anpassung der Mietsubvention, um die Anzahl der Anspruchsberechtigten zu vergrößern;
  • staatliche Subventionierung der Erdölpreise in Höhe von 7,5 Cent pro Liter bis Ende Juli 2022 (Diesel und Benzin) bzw. Ende Dezember 2022 (Heizöl) und Erhöhung der Steuergutschrift im Zusammenhang mit der CO2-Steuer;
  • Förderung von energieeffizienten Technologien und erneuerbaren Energien im Wohnungsbau durch die Anpassung der „Prime House“, um eine stärkere Subventionierung von Haushalten mit niedrigem Einkommen zu ermöglichen.

 

Die schwierigen, aber konstruktiven Gespräche der Tripartite sollten Ende März, nach Klärung der Detailfragen der verschiedenen Beihilfen, zu einem Ergebnis führen.

Die so erzielte Tripartite-Vereinbarung ist ein Garant für die Kontinuität unseres Sozialmodells in Zeiten einer akuten Krise.

Ein Sozialmodell, das sich auf die nationale Tripartite stützt, um Antworten auf die zahlreichen Herausforderungen zu finden, denen unsere Wirtschaft, die Unternehmen, die Arbeitsplätze und vor allem die ansässigen oder als Grenzgänger tätigen Arbeitnehmer und Rentner in den kommenden Wochen und Monaten ausgesetzt sein könnten.

Die Gesundheitskrise, deren wirtschaftlichen und sozialen Folgen noch lange nicht überwunden sind, hat sich nach der russischen Aggression gegen die Ukraine nahtlos in eine strukturelle Krise gewandelt.

Diese neue Situation ist durch ein hohes Maß an Unvorhersehbarkeit gekennzeichnet.

Die russische Invasion in der Ukraine wird wahrscheinlich weitergehen und unerträgliches menschliches Leid sowie wirtschaftliche und soziale Folgen verursachen, wie sie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr dagewesen sind.

Der Strom an Flüchtlingen, die ihr Land verlassen müssen, um ihr Leben zu retten, zeigt, dass dieser Krieg ein neues Kapitel für unseren Kontinent bedeutet, dessen Umrisse sich gerade erst am Horizont abzeichnen.

Das ukrainische Volk braucht unsere rückhaltlose Solidarität. Die ukrainischen Flüchtlinge sind die ersten Opfer der russischen Aggression und wir müssen alles tun, um ihnen die dringend benötigte Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, damit sie fernab ihrer Heimat zu einem Stück Normalität zurückfinden können.

Zudem muss die Europäische Union die notwendigen Mittel und Strukturen vorsehen, um eine gemeinsame Politik im Bereich der Energieerzeugung und -versorgung umzusetzen.

Europa muss seine Abhängigkeiten in den Bereichen Energie und Verteidigung verringern. Es wird die Mittel bereitstellen müssen, die zur Verteidigung unserer Freiheit und Demokratie erforderlich sind.

Und schließlich dürfen die Politiker auf nationaler und europäischer Ebene nicht versäumen, auch die notwendigen Mittel für den sozialen Bereich und die Beschäftigung bereitzustellen.

Für unser Land, seine Wirtschaft und seine Arbeitnehmer und Rentner ist der beste und einzige Weg, eine soziale Krise zu vermeiden, die Beibehaltung unseres Tripartite-Modells.

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