Editorial „Soziale Fortschrëtt“: Ist sich die Regierung der Risiken bewusst?

Ende letzten Jahres beschloss die Regierung, die 2G-Regel im Bereich Freizeit, Kultur und Sport sowie die 3G-Regel am Arbeitsplatz einzuführen.

Zweifellos bedeutet 2G in der Freizeit und 3G am Arbeitsplatz eine Einschränkung unserer Freiheiten und es erscheint mühselig immer ein gültiges Zertifikat und einen Identitätsnachweis vorlegen zu müssen.

Und doch konnten all diese Einschränkungen und Bemühungen die aktuelle Welle nicht brechen, die einen Rekord nach dem anderen bei den täglichen Infektionen bricht.

Der Betriebsablauf in den Unternehmen wird stark beeinträchtigt durch die Fehlzeiten aufgrund der Rekordinfektionen und die steigende Zahl von Eltern, die aus familiären Gründen beurlaubt sind, weil ihre Kinder unter Quarantäne gestellt oder Betreuungseinrichtungen vorübergehend geschlossen werden müssen.

Durch den massiven Rückgriff auf Telearbeit und durch die Flexibilität der betroffenen Arbeitnehmer konnte bislang das Schlimmste verhindert werden, doch unsere Wirtschaft läuft auf Sparflamme und manchmal recht mühsam.

Zwar ist die Lage in den Krankenhäusern mit einer relativ niedrigen Zahl an Einweisungen auf die Intensivstationen im Vergleich zur Situation Ende 2020 / Anfang 2021 stabil, doch das Pflegepersonal ist nach wie vor stark belastet.

Eine Stellungnahme der Ad-hoc-Expertengruppe von Mitte Januar 2022 ermöglicht es nun, sich auf Empfehlungen zu berufen, die auf der Feststellung beruhen, dass das Risiko von Krankenhauseinweisungen oder Todesfällen bei Personen mit einem vollständigen Impfschema geringer ist.

Die Ad-hoc-Expertengruppe spricht sich für eine teilweise Impfpflicht aus für berufstätige und ansässige Personen über 50 Jahre sowie für Personen, die in direktem Kontakt mit vulnerablen Personen, Patienten oder Bewohnern von Pflegeeinrichtungen stehen, damit ein Sicherheitsgürtel um diese Menschen herum geschaffen werden kann.

Der Impfstoff ist das einzige verfügbare Mittel, um eine Überlastung unserer Krankenhäuser zu vermeiden, um menschliche Tragödien durch den Verlust oder die schwere Erkrankung unserer Angehörigen zu verhindern, sowie um aus der wirtschaftlichen und sozialen Krise herauszukommen, in die uns die Pandemie geführt hat.

Derzeit ist die Impfung der einzige Ausweg aus der Gesundheitskrise. Eine Impfung verhindert nämlich einen schweren Krankheitsverlauf bei einer COVID-19-Infektion.

Angesichts der aktuellen Lage hat die Regierung beschlossen, den Bürgern und Arbeitnehmern unseres Landes mehr Freiheiten zu gewähren. Die Regierung argumentiert diesen Kurswechsel vor allem mit der „positiven Entwicklung“ in den Krankenhäusern.

Die „Highlights“ der Regierungsentscheidungen sind dabei eine Rückkehr zu 3G in der Freizeit und das Ende der Sperrstunde von Bars und Restaurants um 23 Uhr.

Die Regierung betont auch weiterhin die Wichtigkeit der Impfungen, um die Gesundheitskrise endgültig zu überwinden. Gleichzeitig wird die politische Absicht der Einführung einer Impfpflicht relativiert, indem diese Entscheidung nun von der Entwicklung der Pandemie abhängig gemacht wird.

Die großen Hoffnungen, die die Gesundheitsministerin in die kommenden Monate setzt, könnten sich als trügerisch erweisen.

Ein Rückgang der Infektionen im Frühjahr und während des milderen Sommerwetters ist kein neues Phänomen, sondern vielmehr eine Wiederholung der zuvor gemachten Erfahrungen.

Die eigentliche Frage lautet, wie es im Herbst aussieht, wenn das Virus wieder auftaucht und einen regelrechten Knall in einer Bevölkerung verursachen könnte, deren Impfrate vor allem in den Risikogruppen nicht ausreicht, um die Pandemie einzudämmen.

Es stellt sich die Frage, ob sich die Regierung der Risiken ihres Vorgehens bewusst ist? Hat die Regierung wirklich alle ihnen möglichen Maßnahmen ergriffen, um die Rückkehr der Pandemie im Herbst zu verhindern?

Ist sich die Regierung der prekären Lage, in der wir leben, wirklich bewusst?

Viele Dramen aufgrund des Verlustes von Menschenleben und schweren Krankheitsverläufen hätten vermieden werden können, wenn die Politik auf nationaler und europäischer Ebene den Ernst der Lage rechtzeitig erkannt hätte.

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