Editorial « Soziale Fortschrëtt »: Der Fall Liberty Steel ist ein echter Skandal

Die Lage der Mitarbeiter von Liberty Steel Dudelange ist ernst.

Der Konkurs des Finanziers Greensill bedroht die finanzielle Situation der Liberty Steel Group. Langsam aber ausführlich enthüllen Presseartikel die Zusammenhänge der Partnerschaft zwischen Greensill und der GFG (der Muttergesellschaft von Liberty Steel). Weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene konnten Regulierungsbehörden eingreifen, da keine adäquaten Kontrollmöglichkeiten oder Gesetze gegen die spekulativen Machenschaften des Herrn GUPTA existieren.

Ein echter Skandal innerhalb eines Skandals. Über 12 Jahre nachdem hochriskante Spekulationen zu einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise geführt haben, konnte durch dieselben Praktiken ein „globaler Großkonzern“ ohne Substanz erschaffen werden, dessen Finanzen mit hochspekulativen und kriminellen Methoden verwaltet wurden.

Und als wäre diese ganze Geschichte nicht tragisch und ernst genug, stellt dieser Fall auch die Glaubwürdigkeit der EU-Kommission ernsthaft in Frage.

Es geht um die von der EU-Kommission beschlossenen „Korrekturmaßnahmen“ bei der geplanten Übernahme von ILVA in Italien durch den ArcelorMittal-Konzern im Jahr 2019.

Angeblich um einen wirksamen Wettbewerb in Europa zu wahren und die Verbraucher vor einem möglichen Monopol zu schützen, zwang die EU-Kommission ArcelorMittal, einen Teil seiner Anlagen zur veräußern.

Auf jeden Fall erschien dies ein großer Coup zu sein! Die Entscheidung wurde getroffen und ratifiziert, und die EU-Wettbewerbskommissarin VESTAGER stellte diese Entscheidung nicht im Geringsten in Frage.

Bereits bei der Übernahme der Stahlwerke in Belgien und Luxemburg waren die betroffenen Gewerkschaften, darunter die CSC und der LCGB, sehr besorgt über die Finanzlage des Käufers GUPTA, der plötzlich und fast aus dem Nichts erschien.

Statt europäische Wettbewerbsregeln in einer Welt zu erzwingen, die von einer Globalisierung ohne Regeln geprägt ist, sollte die EU-Kommission zugunsten des industriellen Gefüges und der betroffenen Arbeitsplätze handeln.

Welch ein Zynismus, wenn sich EU-Kommissare einerseits über Mitgliedstaaten beschweren, die Fortschritte bei der Verwirklichung der europäischen Säule sozialer Rechte blockieren, andererseits aber genau dieselben Kommissare die Grundrechte von Tausenden von Arbeitnehmern durch ihre gedankenlosen, um nicht zu sagen idiotischen Entscheidungen, mit Füßen treten.

Die EU-Kommission unterstreicht und beharrt auf der Ablehnung eines möglichen Rückkaufs während 10 Jahren durch ArcelorMittal ein möglicher Ausweg für die Beschäftigten aus dieser Tragödie, für die die Kommission verantwortlich ist!

Die Kommission sollte ihre Politik unverzüglich auf den Schutz des europäischen Industriegefüges und die Sicherung von Arbeitsplätzen konzentrieren.

Eine solche Politik erfordert die Etablierung europäischer „Industrie-Champions“, die über die notwendigen Forschungsressourcen verfügen, um die Qualität ihrer Produkte weiterzuentwickeln, einen erfolgreichen Übergang zur emissionsfreien Produktion zu schaffen und Energieressourcen sowie Rohstoffe effizient zu nutzen.

Eine solche Politik muss auch exzessiven Finanzspekulationen klare Grenzen aufzeigen und die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission mit den notwendigen Instrumenten ausstatten, um kriminelles Finanzgebaren wirksam zu bekämpfen.

Die europäischen Wettbewerbsregeln müssen für Fälle, in denen Veräußerungen unvermeidlich sind, durch strenge Kriterien ergänzt werden, damit ein Angebot durch einen potenziellen Käufer qualitativ beurteilt und eine Sozialklausel hinzugefügt werden kann, um den Fortbestand der betroffenen Arbeitsplätze zu garantieren.

Hiervon würden sowohl der Verbraucher als auch die Arbeitnehmer profitieren, deren Arbeitsplätze gestärkt und gesichert würden.

Was Liberty Steel betrifft, so fordert der LCGB eine Zukunft ohne Herrn GUPTA.

Der LCGB begrüßt in diesem Zusammenhang den Einsatz des Wirtschaftsministers, um eine Lösung zu finden, die den Industriestandort Dudelange und die damit verbundenen Arbeitsplätze erhält. Durch die SNCI verfügen wir über effiziente Finanzierungsinstrumente, die die Lücke zwischen der derzeitigen inakzeptablen Situation und einem echten industriellen Käufer, der dieses Flaggschiff der luxemburgischen Industrie entwickeln und Arbeitsplätze sichern kann, schließen können.

Liberty Steel hat sich zu einer Affäre entwickelt, die die Industriepolitik der EU-Kommission in Frage stellt. Die derzeitige Selbstgefälligkeit ist inakzeptabel und stärkt nur die populistischen und extremistischen Kräfte, die dem Prozess der europäischen Einigung ein Ende setzen wollen.

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