Steuerreform 2017: 6 wichtige Fragen, die der Entwurf offen lässt

Am 28. November 2016 haben die Gewerkschaften LCGB und OGBL anlässlich einer Pressekonferenz auf 6 Punkte hingewiesen, die im Entwurf für die Steuerreform enthalten sind und eine notwendige Klärung hinsichtlich ihrer Praktikabilität und ihrer konkreten Umsetzung erfordern und die eingehend geprüft und diskutiert werden sollten, bevor die Maßnahmen Gesetzeskraft erlangen.

  1. Gebietsansässige und Gebietsfremde müssen ihre Steuerklasse im Voraus blind wählen

Die Neuerung im Bereich der Organisation der Steuerklassen betrifft verheiratete Steuerpflichtige. Diese müssen sich vor dem 31. Dezember des Vorjahres zwischen gemeinsamer oder getrennter Veranlagung entscheiden.

Um das System zu verstehen, wird noch mehr Sachverstand erforderlich sein, als früher, um die geeignete Entscheidung im Hinblick auf die persönliche Situation der verheirateten Steuerpflichtigen zu treffen.

Die schwierige Wahl der Steuerklasse liegt alleinig bei den verheirateten Steuerpflichtigen. Im Falle einer getrennten Veranlagung muss diese Wahl sogar im Voraus getroffen werden und ist unwiderruflich.

Dies bereitet für die Betroffenen zwei Hauptprobleme:

–           erstens müssen sie die verschiedenen Systeme, zwischen denen sie sich entscheiden können und die steuerlichen Konsequenzen dieser Entscheidung richtig verstehen;

–           zweitens weiß niemand vor dem betreffenden Jahr, wie hoch die jährlichen Gesamteinkünfte am Ende des Steuerjahres sein werden.

Idealerweise sollte die Administration des contributions directes (Steuerverwaltung) in der Lage sein, verheirateten Steuerpflichtigen Auskunft über die steuerlichen Folgen der verschiedenen Möglichkeiten zu geben, die sich ihnen bieten.

Um diese Schwierigkeiten zu beseitigen, schlagen die Gewerkschaften vor, dass für alle verheirateten Steuerpflichtigen die Wahl der Steuerklasse (d.h. ihre Wahl hinsichtlich der Besteuerung) nachträglich im Rahmen einer Steuererklärung erfolgt.

  1. Mangelnde Einheitlichkeit der Steuerklassen

Das allgemeine Recht für verheiratete Steuerpflichtige unterscheidet je nach ihrem Wohnsitz: Steuerklasse 2 für Gebietsansässige (sofern sie nichts anderes beantragen) und Steuerklasse 1 für Gebietsfremde (sofern sie nichts anderes beantragen).

Es wird vorgeschlagen, alle verheirateten Steuerpflichtigen in der Steuerklasse 2 einzustufen, unabhängig von ihrem Wohnsitz: auf Antrag anhand einer Erklärung könnte sich der gebietsfremde Steuerpflichtige je nach seiner Situation für die klassische Steuerklasse 1 oder für die vom Entwurf neu eingeführte Einzelveranlagung entscheiden, wenn dies für ihn günstiger ist.

Konkret gesehen würde das darauf hinauslaufen, die Logik umzukehren, die für Gebietsfremde gilt und ihnen ein opt-out zu ermöglichen, das den verheirateten Gebietsansässigen mit der Einzelveranlagung offensteht.

  1. Strengere und restriktivere Bedingungen für den Zugang zur gemeinsamen Veranlagung

Gegenwärtig erhalten verheiratete gebietsfremde Steuerpflichtige die Steuerklasse 2, wenn 50% der beruflichen Einkünfte des Haushalts in Luxemburg zu versteuern sind. Wenn 90% der persönlichen inländischen und ausländischen Einkünfte eines der beiden Ehepartner in Luxemburg steuerpflichtig sind, können sie darüber hinaus mit Gebietsansässigen gleichgestellt werden, d.h. ihre sämtlichen Einkünfte in Luxemburg versteuern und ebenso wie Gebietsansässige alle Möglichkeiten für Steuerabzüge nutzen (Artikel 157-3).

Nach der Reform muss die Schwelle von 90% an in Luxemburg steuerpflichtigen in- und ausländischen Einkünften (eines der beiden Ehepartner) erreicht werden, um Zugang zur Steuerklasse 2 zu erhalten und somit vollständig gleichgestellt zu sein (und somit Zugang zu einer gemeinsamen Veranlagung zu erhalten).

Diese 90%-Bedingung könnte zahlreiche Steuerpflichtige von der Steuerklasse 2 ausschließen (vor allem die Rentner, siehe weiter unten), die in diesem Fall endgültig in die Steuerklasse 1 eingestuft werden, obwohl sie verheiratet sind.

Die Gewerkschaften schlagen vor, jegliche Schwellenbedingungen für gebietsfremde verheiratete Steuerpflichtige zu streichen (Gleichstellung oder Erreichung einer Steuerklasse).

  1. Auch die Rentner sind in hohem Maß betroffen

Die Frage der Einkommensschwelle wird sich auch für nicht-ansässige Rentner sehr nachteilig auswirken, da die überwiegende Mehrheit von ihnen in mehreren Ländern gearbeitet hat und zusätzlich eine ausländische Rente erhält. Wenn weniger als 90% ihrer Rente aus Luxemburg stammen, wird künftig nur noch eine Einstufung in der Steuerklasse 1 möglich sein.

Die Gewerkschaften schlagen vor, die Schwellenbedingungen neu zu bewerten, wie dies auch für die Berufstätigen vorgeschlagen wird, und Rentner in die Klasse 2 einzustufen, wie dies für verheiratete gebietsansässige Rentner der Fall ist.

  1. Partnerschaften flexibler

Ehepaare mit einem unterhaltsberechtigten Kind erhalten im Falle der Einzelveranlagung nicht die Steuerklasse 1A.

Das Gleiche gilt für einen verheirateten gebietsfremden Steuerpflichtigen, dem es nicht gelingt, die Schwelle von 90% zu erreichen (siehe obige Punkte 3 und 4) und somit die gemeinsame Veranlagung in der Klasse 2 zu nutzen.

Paare mit einer eingetragenen Partnerschaft (partenariat légal) wiederum können zum Teil die Steuerklasse 1A nutzen, wenn ein unterhaltsberechtigtes Kind vorhanden ist, oder gemeinsam veranlagt werden, wenn sie sich am Ende des Jahres dafür entscheiden.

Die Gewerkschaften schlagen vor, diesen unterschiedlichen Ansatz zu überprüfen, der bestimmte verheiratete Steuerpflichtige erheblich benachteiligt.

  1. Mögliche negative Auswirkungen auf das Einkommen der Steuerpflichtigen infolge der Anwendung des CIM und des CIS

Die Modalitäten für die Anwendung des Lohnsteuergkredits (crédit d’impôt salarial  – CIS), des Steuerkredits für  Rentner (crédit d’impôt pour pensionné – CIP) und des Steuerkredits für Alleinerziehende (crédit d’impôt monoparental – CIM) sind nach wie vor zu ungenau.

Die neuen Bestimmungen nehmen jetzt Bezug auf das Bruttojahreseinkommen der Steuerpflichtigen, um Anspruch auf den CIS und den CIP (und auf das angepasste steuerpflichtige Jahreseinkommen der Steuerpflichtigen für den CIM) zu eröffnen und auf diese Weise die Höhe dieser 3 Steuerkredite festzulegen.

Wie jedoch voranstehend erwähnt, sind die Höhe des Jahreseinkommens (Brutto / steuerpflichtig angepasst), die Auslandseinkünfte des Haushalts, die Unterhaltszahlungen, die Arbeitszeit, die Anzahl der Arbeitgeber unvorhersehbar und es werden nach wie vor Mechanismen notwendig bleiben, um diese Unbekannten am Ende des Steuerjahres auszugleichen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige monatlich den Betrag erhalten wird, den das Gesetz für die verschiedenen Steuerkredite garantiert.

Die Gewerkschaften schlagen vor, die Modalitäten für die praktische Umsetzung zu klären, die mit den neuen Formeln dieser beiden Steuerkredite verbunden sind.

 

Diese 6 Fragen werden zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit oder sogar zu finanziellen Beeinträchtigungen führen, deren erste Opfer die steuerpflichtigen abhängig Beschäftigten sein werden. Wer Rechtsunsicherheit sagt, meint potentielle Klärungen vor den Gerichten.

Angesichts dieser verschiedenen Erwägungen beantragen der LCGB und der OGBL, dass diese Maßnahmen, deren Inkrafttreten für 2018 vorgesehen ist, aus dem Entwurf herausgenommen und auf unbestimmte Zeit vertagt werden, bis eine eingehende Analyse ihrer Auswirkungen und von möglichen Alternativen, die steuerliche Kollateralschäden begrenzen könnten, durchgeführt wurde.

 

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