Der diesjährige gewerkschaftliche Start in den Herbst ist von zwei wichtigen Dossiers geprägt.
Zum einen die öffentliche „Konsultation“, die die Ministerin für Gesundheit und soziale Sicherheit seit Oktober 2024 mit der Zivilgesellschaft über den Fortbestand unseres Rentenversicherungssystems für den Privatsektor durchführt.
Ohne hier auf die stichhaltigen Argumente eingehen zu wollen, die die Gewerkschaftsorganisationen LCGB und OGBL anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz am 7. Oktober der Öffentlichkeit und anschließend der Ministerin in einer „Beratungssitzung“ am 9. Oktober präsentiert haben, lässt uns das Fehlen eines klaren Konzepts der Regierung bestürzt zurück.
Die Ministerin wird ihre „Konsultation“ durchführen, wie sie sagt, ohne zu wissen, was dabei herauskommen wird.
Die Auswahl der Gesprächspartner nach ministeriellem Ermessen, der Ablauf, die Gespräche, die zu einem ministeriellen Positionspapier führen, das bei einem „Event“ im Sommer 2025 vorgestellt wird, erinnern eher an eine Art Gruppentherapie, an deren Ende ein kleiner Besuch im Vergnügungspark steht, um die besten Schüler zu belohnen.
Angesichts eines so wichtigen Themas könnte dieser Ansatz naiv erscheinen.
In Wahrheit drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die Würfel bereits gefallen sind und die Regierung genau weiß, was sie tun will.
Vielmehr wird versucht, das richtige Publikum zu finden, das die Regierung in ihren vorgefassten Meinungen bestärkt. Auch wenn der erfahrene Beobachter an einer solch unheilvollen Handlungsweise zweifeln könnte, gibt es zahlreiche Hinweise.
Seit Ende 2024 gleichen sich die Äußerungen der Arbeitgeber und die verschiedenen Stellungnahmen der Ministerin einander an und stellen öffentlich das Rentenversicherungssystem des Privatsektors in Frage.
Alles, was ein solches Vorgehen behindern könnte, wird schnell beiseite geschoben. Eine neue optimistische STATEC-Prognose über den Fortbestand unserer Rentenversicherung wird fast auf der Stelle von der IGSS widerlegt, die nicht zögert, die Produktivitätsparameter der Studie stark zu verschlechtern, um das erwartete Ergebnis zu erreichen.
Die aktuellen Diskussionen drehen sich ausschließlich um das allgemeine Rentenversicherungssystem, was den öffentlichen Dienst von allen Diskussionen und Überlegungen ausschließt.
So könnte eine von der Regierung angestrebte mögliche Reform die bereits bestehende klaffende Rentenlücke zwischen dem Privatsektor und dem öffentlichen Dienst noch weiter vergrößern.
Die elementaren Vorstellungen von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit sollten die Regierung dazu veranlassen, den öffentlichen Dienst und den Privatsektor gleichzustellen, bevor sie den angestrebten Prozess einleitet.
Der Ansatz der öffentlichen Konsultation wird gegenüber der Tripartite bevorzugt, die auf jeden Fall mit diesem Dossier betraut werden sollte, um eine Lösung zwischen den Sozialpartnern und der Regierung zu finden.
Die ständigen Zusicherungen von Regierungsvertretern, dass die heutigen Rentner von möglichen Maßnahmen nicht betroffen wären, könnte bedeuten, dass sich die künftigen Leistungen für junge Menschen, die die Rentner von morgen sein werden, stark verschlechtern.
All dies ist auf eine unerbittliche Regierungslogik zurückzuführen, die darauf abzielt, einerseits die größten Wählergruppen zu schützen und andererseits Maßnahmen einzuführen, die die Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlasten.
Die gleiche Logik schließt von vornherein jede Diskussion über eine Stärkung des Rentenversicherungssystems durch Beitragserhöhungen oder die Einführung alternativer Finanzierungsquellen aus.
Wir verurteilen diese Handlungsweise, die die Gewerkschaften von einem Thema ausschließen will, das seit ihrer Gründung vor mehr als einem Jahrhundert im Mittelpunkt des gewerkschaftlichen Engagements und der gewerkschaftlichen Anliegen steht.
Wir verurteilen auch eine Logik, die von einer öffentlichen Konsultation spricht, aber in diesem Fall nicht den nötigen Mut hat, die Schlussfolgerungen dieses Prozesses allen betroffenen Arbeitnehmern in einem Referendum vorzulegen, was natürlich auch die Kollegen aus den Grenzregionen einschließt.
Schließlich lehnen wir eine Logik ab, die, ähnlich wie die Ministerin, Vorschläge zur Stärkung des Rentenversicherungssystems des Privatsektors vom Tisch wischt, und das in einer äußerst komfortablen Situation, mit Reserven, die das 4,81-fache der jährlichen Ausgaben übersteigen, die uns die nötige Zeit lässt, um innovative und nachhaltige Lösungen zu finden.
Das zweite Dossier befasst sich mit dem aktuellen Stand der Diskussionen zur Umsetzung der EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne, deren Hauptziel es ist, den Deckungsgrad von Kollektivverträgen auszuweiten.
Anfang dieses Jahres übergab der Arbeitsminister das Dossier dem Ständigen Ausschuss für Arbeit und Beschäftigung, und heute müssen die Gewerkschaftsorganisationen CGFP, LCGB und OGBL nicht nur feststellen, dass die Diskussionen ins Stocken geraten sind, sondern dass der Minister in Absprache mit den Arbeitgebern den schlimmsten Angriff auf unser Sozialmodell seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gestartet hat.
Der Minister hat einen nationalen Aktionsplan ausgearbeitet, um den Deckungsgrad der Kollektivverträge von derzeit 53% auf das Ziel der Richtlinie, d.h. 80%, auszuweiten.
Die Gewerkschaften hatten Vorschläge zu diesem Plan ausgearbeitet, doch der Minister erklärte, dass die Vorschläge der Gewerkschaften seiner Meinung nach keinen Mehrwert darstellten.
Schlimmer noch, die Vorgehensweise des Ministers, den Sozialpartnern lediglich zuhören zu wollen, um dann im Alleingang zu entscheiden, ist inakzeptabel und mit dem Luxemburger Tripartite-Modell unvereinbar.
Der Minister hat durch seine Äußerungen und die in seinen Aktionsplan aufgenommenen Elemente deutlich seinen Willen bekundet, die Aushandlung und Unterzeichnung von Kollektivverträgen durch „neutrale“ Delegierte ohne Mitgliedschaft und Unterstützung einer auf nationaler Ebene repräsentativen Gewerkschaftsorganisation zu ermöglichen.
Die Gewerkschaften lehnten diese Vorgehensweise entschieden ab, da sie nicht nur das Sozialmodell und die in der Vergangenheit ausgehandelten Vereinbarungen und Kollektivverträge untergräbt, sondern auch eine ernste Gefahr für den sozialen Frieden darstellt.
Die Gewerkschaften waren die Grundlage für den sozialen Fortschritt in unserem Land, sie haben Kollektivverträge ausgehandelt, die Säulen der Sozialversicherung (Renten- und Krankenversicherung) auf- und ausgebaut, in der nationalen Tripartite dazu beigetragen, ein Instrument zu entwickeln, um in Krisenzeiten Lösungen zu finden, und all dies in einem beispielhaften sozialen Frieden.
Indem er sich weigerte, dem Recht auf Aushandlung und Unterzeichnung von Kollektivverträgen ausschließlich durch repräsentative Gewerkschaftsorganisationen zuzustimmen, beging der Arbeitsminister einen schweren Fehler. Er hat sich bedingungslos den härtesten und unnachgiebigsten Forderungen der Arbeitgeber angeschlossen. Er spielt denjenigen in die Hände, die das Kräfteverhältnis zwischen den sozialen Akteuren unwiderruflich umkehren wollen, um zu einer Arbeitswelt des 19. Jahrhunderts zurückzukehren.
Für den LCGB wird es sehr schwierig sein, diesem Minister für Arbeit (Arbeitgeber) noch zu vertrauen!
Diese beiden Dossiers – Renten und Kollektivverträge – erfordern unseren vollen Einsatz und dazu müssen wir mit unseren Kollegen vom OGBL und der CGFP kooperieren und voll zusammenarbeiten.
Die LCGB-Delegiertenkonferenz vom 9. Oktober 2024 hat dem LCGB-Exekutivbüro ein eindeutiges Mandat erteilt!
Wir kehren nicht in eine längst überholte Vergangenheit zurück!
Patrick DURY
Nationalpräsident des LCGB
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