Am 15. und 16. Oktober 2024 trat der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) erneut in Brüssel zur Sitzung des Exekutivausschusses zusammen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Europa, insbesondere der Vorstellung der neuen Europäischen Kommission und der Ernennung der neuen EU-Kommissare sowie der Vorlage des Draghi-Berichts über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, der in den letzten Tagen für heftige Reaktionen gesorgt hatte, gingen den europäischen Gewerkschaften während des Treffens die Diskussionsthemen nicht aus.
Der EGB und seine Mitgliedsorganisationen müssen nun eine solide Strategie entwickeln, damit ihre gewerkschaftlichen und politischen Forderungen von dieser neuen Kommission ernst genommen werden. Dies gilt umso mehr, als für diese Amtszeit zum ersten Mal seit 70 Jahren der Posten des Kommissars für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten gestrichen wurde.
Dennoch betonte der Exekutivausschuss, dass sich den Gewerkschaften mit der Ankündigung eines Europäischen Pakts für den Sozialdialog, eines Europäischen Plans für erschwinglichen Wohnraum und eines neuen Aktionsplans zur Umsetzung des Europäischen Grundstocks sozialer Rechte zahlreiche Möglichkeiten bieten, die sie nutzen sollten. Dementsprechend wurde bekräftigt, dass der EGB und seine Mitgliedsorganisationen mehr Druck auf die politischen Entscheidungsträger in Europa ausüben müssen und dass ihre Vertreter ständig in den europäischen Institutionen präsent sein müssen, damit ihre Forderungen berücksichtigt werden.
In Bezug auf den Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit gehen die Meinungen in beide Richtungen. Einerseits begrüßen die Gewerkschaften den Vorschlag, die Investitionen innerhalb der EU zu erhöhen, um den grünen und digitalen Wandel zu begleiten. Der EGB betont jedoch, dass diese Investitionen mit guten Arbeitsbedingungen einhergehen und den sozialen Fortschritt sichern müssen. Andererseits warnt die europäische Gewerkschaftsbewegung auch vor einer Art Rückkehr der Barroso-Politik nach Draghis Vorschlag, die Regulierungen in der EU zu reduzieren, um die europäischen Unternehmen zu stärken und sie gegen die Konkurrenz aus China und den USA zu unterstützen.
Zur Frage des Produktivitätsrückgangs erklärte der Exekutivausschuss, dass dieser auch dadurch erklärt werden könne, dass die Kollektivverhandlungen in Europa in den letzten Jahren abgenommen haben. Dieses Argument sollte daher unbedingt von den Gewerkschaften im Rahmen des Draghi-Berichts sowie im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der EU aufgegriffen werden. Schließlich wurde klargestellt, dass die Gewerkschaften nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit sind. Die EU könne jedoch keine starke Wirtschaft aufbauen, indem sie die Rechte der Arbeitnehmer schwächt.
Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung war die Industriepolitik für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze. In diesem Punkt betonte der Exekutivausschuss erneut die Notwendigkeit einer aktiven Industriepolitik, bei der die nationalen Regierungen gezielt eingreifen. Staatlich finanzierte Investitionen müssen an bestimmte soziale und ökologische Bedingungen geknüpft werden. Diese Bedingungen müssen auch im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang fordern die Gewerkschaften auch mehr Transparenz in Bezug auf die Verwendung der gewährten Zuschüsse. Die Sitzung des Exekutivausschusses bot dem EGB auch die Gelegenheit, seine Prioritäten zum EU-Haushalt nach 2027 und zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU zu erläutern. Zu diesem Thema wiederholte der EGB seine Forderung nach einer Erhöhung des EU-Haushalts, damit dieser besser an die künftigen Herausforderungen angepasst werden kann. Diese Finanzmittel müssen eine Konvergenz nach oben ermöglichen und den Kampf gegen Ungleichheiten fördern, während sie gleichzeitig Investitionen in grüne Politik und einen gerechten Übergang unterstützen.
Weitere Themen des Treffens waren eine Resolution des EGB für bezahlbaren Wohnraum, die Forderung der Gewerkschaften nach einer Richtlinie zur Prävention psychosozialer Risiken, die Verordnung zur Energieunion sowie die Einrichtung einer Beobachtungsstelle zur Bekämpfung des Rechtsextremismus.
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