Stellungnahme des Nationalen Aktionskomitees gegen Atomkraft nach den Aussagen von Staatsminister Luc Frieden:
Die Luxemburger Regierung muss sich weiterhin vehement auf nationaler und europäischer Ebene gegen die Atomenergie einsetzen!
In Europa und darüber hinaus wird aktuell, aufgrund der Klimakrise, seitens der Atomlobby wieder verstärkt versucht, die Atomkraft als wichtigen Bestandteil eines nachhaltigen Energiemixes zu promoten. Einige pro-Atom Staaten in der EU, allen voran Frankreich, wollen zusätzlich, dass die Atomenergie durch EU-Mittel gefördert wird.
Die Argumente, die hierfür auf der politischen Bühne, in der Presse und in den sozialen Medien verbreitet werden, lauten: Atomkraft sei sicher, billig, klimafreundlich und für eine schnelle Dekarbonisierung der Energieversorgung unentbehrlich. Außerdem würde die Atomkraft Europa unabhängiger von Gas-Importen machen.
Die tatsächliche Praxis der zivilen Nutzung der Atomkraft über die letzten Jahrzehnte beweist dagegen, dass ein solcher Weg mit erheblichen Problemen und Risiken verbunden wäre, und dem anvisierten Ziel weder heute noch in Zukunft gerecht werden kann. Wie auch bei der Klimakrise werden die Risiken und Kosten, die sowohl die Produktion von Atomstrom als auch die Verarbeitung und Endlagerung des Atommülls mit sich bringen, auf die kommenden Generationen ausgelagert.
Zu gefährlich: In Atomkraftwerken sind jederzeit katastrophale Unfälle mit großen Freisetzungen radioaktiver Schadstoffe möglich. Dies zeigen nicht nur die sogenannten Super-GAUs, z. B. die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, sondern auch eine Vielzahl von kleineren Pannen und Unfällen. Die Folgekosten der Fukushima Katastrophe steigen indes weiter und werden inzwischen, je nach Studie, auf 223 bis 758 Milliarden US Dollar geschätzt! Zudem besteht permanent die Gefahr des Missbrauchs von waffenfähigem Spaltmaterial (hochangereichertes Uran bzw. Plutonium) für terroristische Zwecke, sowie für illegale Atombombenprogramme mancher Staaten.
Darüber hinaus muss die Endlagerung der langlebigen, hochradioaktiven Abfälle der Reaktoren – unabhängig davon, ob es sich um große oder kleine Mengen handelt – über eine Million Jahre (!) sicher gewährleistet werden. Ein Ding der Unmöglichkeit!
Zu teuer: Die kommerzielle Nutzung von Atomenergie hat, trotz immenser finanzieller Förderung durch öffentliche Gelder in der Vergangenheit, niemals den Sprung zu einer wettbewerbsfähigen Energiequelle geschafft. Selbst der laufende Betrieb der bestehenden Atomkraftwerke wird zunehmend unwirtschaftlich. Zusätzlich fallen erhebliche und derzeit weitgehend unbekannte Kosten für den Rückbau von Atomkraftwerken und die bereits erwähnte „ewige“ Endlagerung radioaktiver Abfälle an, die von der Öffentlichkeit getragen werden müssen. Die Kosten für AKW Neubauten sind seit den 60er Jahren ständig gestiegen und die wirtschaftliche Rentabilität trotz „atom-freundlicher“ Gesetze, staatlicher Zuschüsse und Garantien nicht erreicht.
Energiewirtschaftliche Analysen zeigen, dass die Einhaltung ambitionierter Klimaschutzziele (globale Erwärmung 1,5° bis unter 2 °C) ohne Atomkraft nicht nur möglich, sondern mit erneuerbaren Energien sogar deutlich kostengünstiger und bürgernäher ist.
Zu langsam: Angesichts des (außer in China) stagnierenden oder rückläufigen Atomreaktorbaus, einer Planungs- und Bauzeit von zwei Jahrzehnten (und mehr), Kostenexplosionen bis hin zu x4 und x5 (EPR in Flamanville und in Finnland) sowie über die nächsten 15 Jahre absehbar geringen technischen Innovationen, kann Atomkraft in dem für die Bekämpfung der Klimakrise relevanten Zeitraum keine Rolle spielen. Die Atomkraft deckt lediglich 10% des weltweiten Strombedarfs ab und nur 4% der Primärenergie.
Die Reaktorzahl müsste demnach von den rund 420 heute aktiven Atomreaktoren auf mehrere Tausend vervielfacht werden, inklusive Kosten, Gefahren und Uran-Versorgung. In Wahrheit aber stehen den weltweit 53 laufenden Bauprojekten rund 200 Abschaltungen bis 2030 gegenüber.
Auch die in aktuellen Diskussionen gehypten SMR-Konzepte („Small Modular Reactors“) und AKW Konzepte der „4. / 5. Generation“ sind noch technisch unausgereift und weit von kommerziellen Einsätzen entfernt. Für eine umfangreiche Studie [1] haben Forscher im Auftrag des deutschen Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung kürzlich verschiedene Reaktortypen in Entwicklung untersucht. Eindeutiges Fazit: Die altbekannten Probleme (zu teuer, zu viel Atommüll, zu anfällig für die Klimakrise …) werden wohl auch die neuen Reaktortypen nicht lösen. Weswegen das Argument, „technologieoffen“ in weitere Forschung investieren zu wollen, lediglich eine sehr teure Sackgasse darstellt.
Zu kurzsichtig: Atomkraftwerke brauchen bei laufendem Betrieb enorme Mengen an Kühlwasser. AKW-Standorte befinden sich deshalb immer in der Nähe von Flüssen oder Küsten. Wenn nun die Temperatur des Wassers bei anhaltenden Hitzeperioden ansteigt, wird das problematisch – denn das Wasser ist dann zur Kühlung einfach zu warm. Ein weiteres Problem bei Hitzewellen ist der fallende Wasserdurchsatz von Flüssen. Mehrfach mussten deswegen z.B. in Frankreich bereits AKWs heruntergefahren werden, da der angrenzende Fluss nicht mehr genügend Wasser mit sich führte. Atomkraftwerke sind demnach nicht immun gegen die Klimakrise.
Zu sperrig: Die größte Herausforderung beim notwendigen Umbau unserer Energieversorgung liegt in der Überwindung der Widerstände („Lock-in“) des alten, von fossilen Kraftwerken dominierten Systems. Atomenergie ist nicht geeignet, diesen Umbauprozess zu unterstützen, sondern blockiert diesen sogar: durch Innovations- und Investitionsblockaden. Zudem ist die Atomwende auch eine notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Endlagersuche.
Fazit: Atomenergie ist nicht in der Lage, in Hinblick auf die Klimakrise und das immer kleiner werdende Reaktionszeitfenster, einen sinnvollen Beitrag zum Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung zu leisten. Atomkraft ist zu gefährlich, zu teuer und zu langsam verfügbar; darüber hinaus blockiert sie den notwendigen sozial-ökologischen Transformationsprozess, ohne den ambitionierte Klimaschutzziele nicht erreichbar sind. Auch das Argument einer größeren Unabhängigkeit der europäischen Energieversorgung durch den Ausbau der Atomenergie hält einer näheren Analyse nicht stand, kommt doch das dafür notwendige Rohmaterial auch aus politisch unstabilen und undemokratischen Regionen und Staaten wie z.B. dem Niger oder Kasachstan.
Aus all diesen Gründen kann Atomkraft keine Lösung für die Energie- und Klimakrise sein. Wir appellieren deshalb an die Luxemburger Regierung, den nationalen Konsens gegen Atomkraft der letzten Jahrzehnte nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, sondern sich weiterhin – in der Tradition der vergangenen Regierungen jedweder parteipolitischer Couleur – gegen die Atomzentralen in den benachbarten Grenzgebieten UND gegen die Förderung der Atomenergie mit Hilfe öffentlicher europäischer Gelder einzusetzen.
[1] https://www.base.bund.de/DE/themen/kt/kta-deutschland/neuartige-reaktorkonzepte/alternative-reaktorkonzepte-gutachten.html
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