Nachdem die Verhandlungen über die Richtlinie zu Plattformarbeit im Dezember 2023 unter der spanischen Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU) gescheitert sind, erlitt die belgische Ratspräsidentschaft denselben Rückschlag, da die erzielte vorläufige Einigung nicht die erforderliche Mehrheit erreichte. Ein schwerer Schlag für Millionen von Plattformarbeitern, aber auch für die belgische Ratspräsidentschaft, die sich so sehr bemüht hatte, endlich Fortschritte zu erzielen und den missbräuchlichen Praktiken einiger digitaler Plattformen wie Uber und Deliveroo ein Ende zu setzen.
Laut einer Studie der Europäischen Kommission arbeiten derzeit etwa 28 Millionen Menschen über eine digitale Plattform. Eine Zahl, die bis 2025 auf 43 Millionen ansteigen könnte[1]. Von diesen 28 Millionen Arbeitnehmern arbeiten schätzungsweise 5,5 Millionen als Scheinselbstständige und sind daher mit prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert und haben keine soziale Absicherung. Der Vorschlag für eine Richtlinie über Plattformarbeit, der den Zielen der europäischen Säule sozialer Rechte entspricht, wäre ein Hoffnungsschimmer für diese Scheinselbstständigen gewesen, die zu Recht ihren Anspruch auf den Arbeitnehmerstatus und damit auf bessere Arbeitsbedingungen, angemessenen Sozialschutz, bezahlten Urlaub und angemessene Mindestlöhne einfordern.
Seit ihrer Vorlage ist diese doch so lang erwartete Richtlinie immer wieder Gegenstand heftiger Diskussionen, Reaktionen und Blockaden seitens einiger Mitgliedstaaten.
Am 13. Dezember 2023 gab die spanische EU-Ratspräsidentschaft bekannt, dass sie eine vorläufige Einigung über den Text erzielt habe. Letztendlich konnte der Textvorschlag nicht einmal diskutiert werden, da einige Mitgliedstaaten (Frankreich, Italien, Irland, Finnland, Griechenland, Ungarn und Schweden) angekündigt hatten, sich der Abstimmung zu widersetzen. Nach diesem gescheiterten Versuch wurde das Dossier Anfang des Jahres an die belgische Ratspräsidentschaft weitergeleitet. Auch hier schienen die Fortschritte mit der Anfang Februar erzielten vorläufigen Einigung mehr als vielversprechend. Nachdem es gelungen war, einige widerspenstige Mitgliedstaaten für sich zu gewinnen, führte eine Sperrminorität aus Estland, Griechenland, Deutschland und Frankreich schließlich dazu, dass die Abstimmung über die vorläufige Einigung trotz zahlreicher Zugeständnisse erneut scheiterte.
Im Mittelpunkt der Debatte steht die Kontroverse um die sogenannte „gesetzliche Vermutung der Arbeitnehmerschaft“. Ein Mechanismus, der es ermöglichen würde, Scheinselbstständige wieder als Arbeitnehmer einzustufen. Hinzu kommt der starke Einfluss der Lobbyisten, die die Mitgliedstaaten dazu drängen, das Abkommen aufzugeben.
Trotz dieses erneuten Scheiterns begrüßen die luxemburgischen Gewerkschaften LCGB und OGBL die Initiative der EU-Kommission sowie die jüngsten Versuche der spanischen und belgischen Ratspräsidentschaft, das Dossier voranzutreiben. Sie begrüßen insbesondere die Haltung der Mehrheit des EU-Parlaments und der Regierungen, einschließlich der vorherigen und aktuellen luxemburgischen Regierung.
In Luxemburg ist seit geraumer Zeit das wachsende Phänomen der Plattformen zu beobachten. Einige von ihnen wie Wedely, Goosty, Foozo und Miammiam gehören mittlerweile zu unserer täglichen Landschaft. Vor kurzem wurde bekannt gegeben, dass Wolt, ein Lieferservice für Lebensmittel und Waren, der bereits in 29 Ländern aktiv ist, nach Luxemburg kommen wird. Wie andere große Plattformen verkauft auch Wolt sein Geschäftsmodell unter dem Vorwand, dass seine Mitarbeiter mehr Flexibilität und Unabhängigkeit genießen. Nicht erwähnt wird, dass dieses Modell mit der Prekarisierung der Arbeit, der Überwachung von Arbeitnehmern durch digitale Plattformen und Sozialdumping einhergeht. Bisher konnte man sich von diesen Plattformen nur sein Essen liefern lassen. Bald wird man auch andere Waren wie ein Telefonkabel bestellen können, wie der CEO von Wolt Luxemburg erklärt [2]. Das Risiko, dass das Geschäftsmodell dieser Unternehmen auf andere Dienstleistungen ausgeweitet wird, ist groß und darf auf keinen Fall unterschätzt werden.
Die Luxemburger Arbeitnehmerkammer (CSL) verfasste einen Gesetzesvorschlag zu Plattformarbeit und leitete ihn an die luxemburgische Regierung weiter. Die Regierung legte den Vorschlag nicht der Abgeordnetenkammer vor, mit der Begründung, dass man sich auf die EU-Richtlinie stützen müsse, deren Verabschiedung damals kurz bevorstand.
Angesichts der aktuellen Umstände und da der Richtlinienvorschlag auf die lange Bank geschoben wird, sind der LCGB und der OGBL der Meinung, dass die Abgeordnetenkammer über den Gesetzesvorschlag der CSL beraten und einen nationalen Rahmen für den Schutz der sozialen Rechte und der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer auf digitalen Plattformen schaffen sollte.
[1] Bericht der Europäischen Kommission über die Folgenabschätzung zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten (9.12.2021), Online: < https://eur-lex.europa.eu/legal-content/FR/TXT/?uri=celex%3A52021SC0397 >, (abgerufen am 19.02.2024).
[2] Palms Jeff, Wolt s’installe au Luxembourg, 19.02.2024, Online: < https://paperjam.lu/article/wolt-s-installe-au-luxembourg >, (abgerufen am 19.02.2024)
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