Gipfeltreffen in Val Duchesse: Neuer Elan für den europäischen Sozialdialog?

Tripartite-Erklärung für einen erfolgreichen europäischen sozialen Dialog

Am 31. Januar 2024 trafen sich die europäischen Sozialpartner, die Europäische Kommission und die belgische Ratspräsidentschaft im Schloss Val Duchesse in Brüssel, um über das Schicksal des europäischen Sozialdialogs zu entscheiden. Das Treffen endete mit der Unterzeichnung einer “Tripartite-Erklärung für einen erfolgreichen europäischen Sozialdialog”, in der sich die Europäische Kommission, die belgische Ratspräsidentschaft und die europäischen Sozialpartner verpflichten, bei der Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen, mit denen die Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte der Europäischen Union (EU) derzeit konfrontiert sind, an einem Strang zu ziehen. Der Val Duchesse-Gipfel, der erstmals am 31. Januar 1985 auf Anregung von Jacques Delors initiiert wurde, war ein historischer Moment und legte den Grundstein für die Einbeziehung der europäischen Sozialpartner in die Gestaltung der EU-Politik.

Die COVID-19-Krise und die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine hatten erhebliche Auswirkungen auf die Lebenshaltungskosten, die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen und die Gesellschaft im Allgemeinen. Ein effektiver und ambitionierter sozialer Dialog auf EU-Ebene ist ein wesentliches Element, um die Auswirkungen dieser Krisen auf die Volkswirtschaften und Gesellschaften der EU abzumildern. Das jüngste Scheitern der Verhandlungen über eine Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern über Telearbeit und das Recht auf Abschaltung, das durch die Weigerung der Arbeitgebervertreter, einen Text vorzuschlagen, verursacht wurde, hat jedoch die Fragilität des europäischen sozialen Dialogs offenbart. Eine Schwäche, die jedoch nicht ohne Folgen für die Demokratie und das europäische Sozialmodell bleiben würde. Für den Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) kommt diese Erklärung daher zu einem entscheidenden Zeitpunkt für die Zukunft des europäischen sozialen Dialogs. Es ist an der Zeit, dem Dialog zwischen den europäischen Sozialpartnern neuen Schwung zu verleihen.

Mit der Annahme der tripartiten Erklärung verpflichten sich die Europäische Kommission, die europäischen Sozialpartner und die belgische Ratspräsidentschaft, den Wohlstand von Unternehmen und öffentlichen Diensten zu sichern und die Qualität der Arbeitsplätze sowie die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der EU zu verbessern. In der Erklärung von Val Duchesse verpflichten sie sich zu :

  1. Das Problem des Arbeitskräfte- und Qualifikationsmangels angehen: Die Sozialpartner, die Kommission und der belgische Ratsvorsitz erkennen an.
    dass ein Mangel an Arbeitskräften und Qualifikationen ein nachhaltiges Wachstum behindert, und verpflichten sich daher, den Zugang zu hochwertiger Bildung und lebenslangem Lernen zu fördern. Die Kommission verpflichtet sich außerdem, in Zusammenarbeit mit den europäischen Sozialpartnern bis zum Frühjahr 2024 einen Aktionsplan vorzulegen, um das Problem des Arbeitskräfte- und Qualifikationsmangels anzugehen.
  2. Den europäischen Sozialdialog in den Mittelpunkt unserer Zukunft stellen: Die Unterzeichner bekräftigen ihre Verpflichtung, die Rolle der Sozialpartner und den zweiseitigen Sozialdialog zu respektieren und zu fördern. Dies schließt die uneingeschränkte Achtung der Vorrechte von Gewerkschaften und Arbeitgebern ein.
  3. Einen “Beauftragten für den europäischen sozialen Dialog” einrichten: Innerhalb der Europäischen Kommission wird ein spezieller Beauftragter für den europäischen sozialen Dialog eingerichtet, der die Umsetzung der Mitteilungen der Kommission zur Stärkung des sozialen Dialogs in der EU unterstützen und koordinieren soll. Der Gesandte wird als Kontaktstelle für die Sozialpartner fungieren und die Reaktionen auf Bedenken bezüglich des sozialen Dialogs auf europäischer und nationaler Ebene koordinieren.
  4. Einen “Pakt für den europäischen sozialen Dialog” starten: Es wird ein Prozess hin zu einem “Pakt für den europäischen sozialen Dialog” eingeleitet, der tripartite und bipartite Treffen mit den europäischen Sozialpartnern beinhaltet, um neue Vorschläge zur Stärkung des europäischen sozialen Dialogs zu identifizieren. Dieser Pakt soll bis Anfang 2025 geschlossen werden.

 

Das Dokument liegt nun auf dem Tisch und es ist nun Geduld gefragt, bevor Ergebnisse zu sehen sind. Bis dahin müssen noch einige praktische Fragen geklärt werden, insbesondere in Bezug auf die Rolle und das Mandat des Beauftragten für den sozialen Dialog. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage nach der Unparteilichkeit der Person, die dieses Amt bekleiden wird. Was bereits klar ist und worüber sich die Sozialpartner offenbar einig sind, ist die Tatsache, dass der Gesandte für den sozialen Dialog unter keinen Umständen als Vermittler zwischen den Sozialpartnern und der Kommission fungieren und somit die Fähigkeit der Sozialpartner, mit der Kommission zu interagieren, beeinträchtigen sollte.

Es ist offensichtlich, dass nach dem Scheitern der Verhandlungen über Telearbeit und das Recht auf Abschaltung Misstrauen zwischen den Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu herrschen scheint. Damit diese Erklärung jedoch wirklich Früchte trägt, müssen sie in der Lage sein, ein Klima des Vertrauens wiederherzustellen. Um die Herausforderungen zu meistern und dem sozialen Dialog eine neue Dynamik zu verleihen, bedarf es eines gemeinsamen und festen Engagements aller Beteiligten. Ein solches Engagement kann und darf sich nicht auf leere Versprechungen beschränken. Es müssen klare Forderungen an den Verhandlungstisch gebracht und Entschlossenheit bei der Suche nach einem Konsens gezeigt werden.

Die luxemburgischen Gewerkschaften LCGB und OGBL unterstützen die Erklärung von Val Duchesse, die auf eine Stärkung des Sozialdialogs auf europäischer Ebene abzielt. Ein Sozialdialog auf allen Ebenen ist unerlässlich, um bessere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten und das europäische Sozialmodell zu schützen.

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