Auf Einladung der Luxemburger Statistikbehörde STATEC findet an diesem 25. April ein „Wirtschafts“-Seminar zum Thema „Der Stellenwert der Gewerkschaften in einer sich wandelnden luxemburgischen Wirtschaft“ statt. Auf der Tagesordnung steht u.a. der Vortrag eines Universitätsprofessors mit dem provokativen Titel „Will they rise again? Vier Szenarien für die Zukunft der Gewerkschaften.“
Zu den Referenten gehören u.a. Vertreter der OECD, jener Organisation, die zuvor schon des Öfteren ihre feindselige Einstellung gegenüber den Arbeitnehmervertretern bekundet hat. Die Redner werden ihre Standpunkte zwei Stunden lang ausführlich darlegen. Ursprünglich sollten den drei national repräsentativen Gewerkschaften, insgesamt nur 15 Minuten gestattet werden, um aus dem Stand heraus auf die Aussagen zu reagieren.
Absage der Gewerkschaften
In einem gemeinsamen Schreiben haben LCGB, CGFP und OGBL dem STATEC-Direktor mitgeteilt, dass sie aus bekannten Termingründen nicht in der Lage seien, an diesem Seminar teilzunehmen. Das STATEC-Kolloquium wird zeitgleich an jenem Tag stattfinden, an dem die Sozialpartner und die Regierung im Rahmen des Europäischen Semesters zusammentreffen werden. In ihrem gemeinsamen Brief haben die Arbeitnehmervertreter zudem bemängelt, dass sie nicht in die Vorbereitungsarbeiten der betreffenden Studien einbezogen wurden.
Unerklärlich ist, warum die STATEC-Verantwortlichen zum wiederholten Mal ihre Kritik-Studien ausschließlich in Bezug auf die Gewerkschaften in Auftrag geben und die Zahlen zudem ohne Rücksprache veröffentlichen. Kein anderer Bereich wird in diesem Maße beleuchtet. Detaillierte STATEC-Analysen über die Entwicklung der Mitgliederzahlen bei den Parteien, den Patronatsverbänden oder den ehrenamtlichen Organisationen werden nicht durchgeführt. Die eigentlichen Beweggründe für diese einseitige und unnuancierte Darstellung, die zum Teil auch noch auf falschen Behauptungen beruht, wirft Fragen hinsichtlich der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit auf.
Ein fragwürdiges Unterfangen
Bereits im März 2022 war eine STATEC-Studie mit dem schlagzeilenträchtigen Titel „Les syndicats en déclin dans un monde du travail en mutation“ erschienen. Darin hieß es fälschlicherweise, die drei größten Gewerkschaften des Landes hätten zwischen 2017 und 2019 rückläufige Mitgliederzahlen zu verzeichnen. In diesem Zusammenhang stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Experten zu einer solchen groben Falscheinschätzung gelangen konnten. Schon damals hatten die CGFP und der OGBL die Ergebnisse und die Methodologie der Statistiker vehement angefochten. Statt also öffentliche Gelder für fragwürdige und zudem kostspielige Studien zu vergeuden, täten das Wirtschaftsministerium und der ihm unterstellte STATEC gut daran, bei den Fakten zu bleiben.
Vermehrte Angriffe auf die Gewerkschaftsfreiheit
In vielen Ländern zögern Menschen einer Gewerkschaft beizutreten, weil sie Angst vor Repressalien oder einem Karriereknick haben. Seit Monaten leiden die Bürger in den Nachbarstaaten unter den Folgen eines gescheiterten Sozialdialogs: Soziale Konflikte, wachsender Frust, Politikverdrossenheit und Arbeitsniederlegungen gehören dort mittlerweile zum Alltag. Und auch in Luxemburg mehren sich hierzulande die Angriffe auf die Gewerkschaftsfreiheit. Im Interesse der Arbeitnehmer sollten deshalb die Regierung und der STATEC den Sozialdialog festigen, anstatt ihn alljährlich auf ein Neues zu torpedieren.
Der Verdacht liegt nahe, dass auch das jüngste STATEC-Wirtschaftsseminar über den Stellenwert der Gewerkschaften unter dem Licht der politischen Beeinflussung steht. Unbestreitbar bleibt in diesem Zusammenhang, dass es personelle Verflechtungen zwischen der Statistikbehörde und dem „Observatorium für Wettbewerbsfähigkeit“ gibt. Dieses Gremium wird ebenfalls im Organigramm des Wirtschaftsministeriums aufgeführt.
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