Luxemburg ist kein Reiskorn. Luxemburg hat mit einem ökologischen Fußabdruck von mindestens sechs Planeten eine besondere Verantwortung und angesichts seiner Größe und Reichtums außergewöhnliche Handlungsmöglichkeiten. Wir könnten ein Vorreiter hinsichtlich der Klimaschutzmaßnahmen und der demokratischen Bürgerbeteiligung sein, aber wir hinken immer noch hinterher. Sowohl in benachbarten als auch weit entfernten Ländern entstehen Bürgerversammlungen – Klima- oder Verfassungsversammlungen -, die mit Konsequenz und Enthusiasmus arbeiten. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind oft sehr „radikal“. Ihre Arbeit leitet den grundlegenden Wandel ein, den wir brauchen und den die Wissenschaftler des IPCC dringend “so bald wie möglich” einleiten sollten. Doch wie wir wissen und dies haben wir insbesondere in Frankreich bei der Gelbwesten-Bewegung beobachten können: Damit die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen auch von denjenigen getragen werden können, die sich das nicht leisten können, muss alles getan werden, um zu verhindern, dass sie den Anschluss verlieren – sie müssen finanziell unterstützt, aber auch in die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen eingebunden werden. Es wird ein Umdenken seitens der verschiedenen Instanzen hinsichtlich des Stellenwerts dieser Bürgerbeteiligung erforderlich sein, die, wenn sie echt und ehrlich ist, schnelle und konsequente Veränderungen der Gesellschaft ermöglicht.
Die Ankündigung eines Klimabiergerotts (KBR) durch den Premierminister in seiner Rede zur Lage der Nation im Oktober hat uns zwar überrascht, dennoch sieht ein Teil von uns darin die Hoffnung, dass die Klimaproblematik von der gesamten Regierung angegangen wird. Wir sind aber besorgt, da die Regierung nicht die notwendigen Voraussetzungen für grundlegende Reflektionen und entschlossenes Handeln zur Lösung der Klimakrise zu schaffen scheint.
So bedauern wir, dass der Auswahlmodus für den Bürgerrat völlig undurchsichtig ist und dass kein externer Ausschuss eingesetzt wird, um die Qualität des Prozesses zu gewährleisten. In Bezug auf die Auswahl der Bürgergruppe hoffen wir, dass die bei der Registrierung gemachten Angaben, insbesondere zur politischen Meinung, sinnvoll genutzt werden. Zudem ist das geforderte „Verstehen von Französisch, Luxemburgisch und Englisch“ unserer Ansicht nach nicht geeignet, um die Arbeit der vielfältigen und multikulturellen Bevölkerung Luxemburgs zugänglich zu machen.
Wir hätten uns gewünscht, dass sich sein Tätigkeitsbereich nicht auf den integrierten nationalen Energie- und Klimaplan Luxemburgs (PNECC) beschränkt, da dieser, wie die Klima-Koalitionen (Votum Klima und United for climate justice) seinerzeit ansprachen, nicht ehrgeizig genug ist, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Es ist nicht klar, wie die Schlussfolgerungen des KBR und die darauffolgenden öffentlichen Entscheidungen zusammenhängen werden. Die geplante Arbeitsweise des KBR scheint weder Information noch eine unabhängige Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Wir bemängeln außerdem, dass kein externer Ausschuss die Qualität des Prozesses gewährleistet, dass der KBR seine Arbeit in einem sehr engen Zeitrahmen von weniger als sechs Monaten durchführen muss und dass die Initiativen der Zivilgesellschaft, die bereits vor mehreren Jahren ins Leben gerufen wurden, bei der Entwicklung des Prozesses nicht berücksichtigt wurden. CELL und andere Organisationen der U4CJ-Koalition (darunter ASTM, LCGB, OGBL, RFC und YFC) arbeiten seit über zwei Jahren an der Entwicklung von Bürger-Klimaversammlungen, die den Menschen einen Raum bieten, um über klimapolitische und demokratische Maßnahmen nachzudenken, die für einen gerechten und effektiven Übergang notwendig sind. CELL hat sogar eine staatliche Finanzierung (Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung) für die Durchführung von Bürger-Klimaversammlungen erhalten. Unser Ziel war es, eine Versammlung auf nationaler Ebene einzurichten, die die Erwartungen und Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung berücksichtigen und eine tief verwurzelte Klimapolitik anbieten kann, die der Sache gerecht wird. Dieser Prozess wird vom KBR mit voller Wucht durchschlagen. Die Initiative des Staatsministeriums erscheint völlig isoliert, unabgestimmt und überstürzt, was in einem Jahr vor den Wahlen Fragen nach der tieferen Motivation aufwirft.
Der Mangel an Transparenz und Kohärenz der Regierung ist sicherlich die größte Herausforderung, mit der die Zivilgesellschaft konfrontiert ist, was zu einem Wettlauf um Informationen führt und uns in eine Situation der ständigen Reaktivität versetzt. Für echte Bürgerbeteiligungsprozesse muss man sich die Zeit nehmen, die Mittel und das eigene Fachwissen bereitstellen (nicht nur Budgets, um externe Berater zu finanzieren) und den Bürgern echte Handlungs- und Einflussmöglichkeiten einräumen. Eine einfache Debatte der Abgeordneten ohne die Verpflichtung, verbindliche Entscheidungen zu treffen, stellt in dieser Hinsicht einen eklatanten Mangel an Respekt gegenüber den Bürgern dar, die sich für die Suche nach Lösungen eingesetzt haben. Wir haben dies beim Bürgerkonvent für das Klima in Frankreich gesehen, der im Vergleich zum KBR inklusiver war, indem er Organisationen der Zivilgesellschaft in die verschiedenen Unterstützungs- und Lenkungsausschüsse aufnahm. Dennoch war das Ergebnis frustrierend für die Bürger, da die Politik Dreiviertel ihrer Empfehlungen ablehnte. Außerdem ist nicht festgelegt, wie mit den Folgemaßnahmen zu den Empfehlungen des KBR umgegangen werden soll, abgesehen von der Ankündigung einer Debatte im Parlament und der möglichen Aufnahme der Empfehlungen in die Halbzeitanpassung des PNECC. Die Umstände, unter denen der KBR-Prozess von einem Premierminister im Alleingang in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt wurde, nähren den schmerzlichen Eindruck von Wahlkampf und zeigen, wie wenig die Dringlichkeit des Problems beachtet wird.
Trotz der derzeit verfügbaren Informationen hoffen wir, dass wir uns irren. Wir hoffen, dass dieser KBR mehr als nur ein „Gimmick“ ist. Wir hoffen, dass die in Gang gesetzte Dynamik es ermöglicht, die tieferen Ursachen der vielen ökologischen und sozialen Missstände, mit denen der Planet, insbesondere im globalen Süden, konfrontiert ist, zu identifizieren, diese Ursachen zu benennen und Vorschläge zu machen, die den Herausforderungen gerecht werden. Wir hoffen, dass die Regierung ihre Verantwortung wahrnehmen wird.
Doch für einen Teil von uns gibt es kein Zweifel mehr daran, dass diese Regierung nach dem Greenwashing nun auch das „Democracywashing“ erfunden hat. Da die Klimakrise drängender denn je ist, weigern wir uns, noch länger die Illusion aufrechtzuerhalten, dass das brave Stillhalten an unserem Platz zu den Veränderungen führen wird, die wir brauchen. Angesichts des Unannehmbaren ist eine Revolte legitim. Wenn der Plan der Regierung darin besteht, das KBR zu einem kosmetischen Prdoukt zu machen, muss unser Ziel sein, dass es sein volles transformatives Potenzial entfaltet. Unsere Hoffnung ruht nicht mehr auf der Regierung, sondern auf der Selbstermächtigung der Menschen angesichts eines Systems, das uns in den Untergang führt.
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